Herrgottschtäschle – die heilige Täuschung in Teigform
Du kennst Ravioli? Denk größer. Du kennst Tortellini? Denk flacher. Du kennst Lasagne? Dann hast du Hunger.
Aber das hier, das ist anders: Herrgottschtäschle – das ist nicht nur ein Essen, das ist eine Lebenseinstellung.
Die Legende – oder: Wie man dem lieben Gott ein Schnippchen schlägt
Die Geschichte beginnt im Kloster. Fastenzeit. Keine Wurst, kein Fleisch, kein Spaß. Doch ein besonders schlauer Mönch (vermutlich schwäbischer Herkunft, sagen wir’s wie’s is) dachte sich:
„Wenn man das Fleisch nicht sieht, sieht’s der Herrgott vielleicht auch nicht.“
Also wird das sündige Fleisch einfach in Nudelteig eingepackt – und zack: Schon haben wir das erste bekannte Beispiel für liturgisch korrekte Lebensmittelinflation durch Versteckspiel: das Herrgottsbscheißerle war geboren. Heute sagen wir charmant Herrgottschtäschle, klingt einfach netter – und bringt einen nicht ganz so direkt in die Hölle.
Was isch da drin?
Traditionell:
- Brät (das Zeug, das aussieht wie Wurstbrät, aber mehr Seele hat)
- Spinat (fürs Alibi)
- Zwiebel, Lauch, altbackene Semmel
- Und Liebe. Schwäbische. Streng rationierte.
Moderne Varianten beinhalten mittlerweile alles von Käse über Pilze bis hin zu Chili und veganem Füll-Quark aus Cashew-Schmetterlingen – aber der echte Schwabe schaut da nur schief und murmelt was von „Sakrileg“.
Wie isst man’s?
- In Brühe – das ist die klassische Variante. Nennt sich dann: „Maultaschensupp’“. Ideal bei Kater, Heimweh oder Schwiegermutterbesuch.
- Geschmelzt – also mit Zwiebeln angebraten und mit Ei drüber. Der Inbegriff von „Satt ohne Reue“ (Reue kommt dann erst nachts, wenn’s wieder hochkommt).
- G’schnibbelt – als Maultaschenpfanne. Der moderne Hipster macht dazu Rucola drauf. Der Opa nennt das „Gemüseverschwendung“.
- Direkt aus der Packung, kalt – für die echten Schwaben in der Mittagspause zwischen Kehrwoche und Tüfteln am Dübel.
Warum der Name „Herrgottschtäschle“?
Weil es aussieht wie ein kleines Täschle – und weil man damit den Herrgott quasi… ja, täuscht. Aber nur ganz liebevoll. Man will ja niemanden beleidigen. Und wenn doch, dann nur auf Schwäbisch – das klingt ja eh immer wie ein Lob, auch wenn’s keins ist.
Fazit: Ein Täschle fürs Herz
Das Herrgottschtäschle ist mehr als ein Gericht – es ist schwäbische Rebellion gegen kulinarische Langeweile und göttliche Vorschriften. Es ist der Beweis, dass man auch mit einem klaren Regelbruch g’scheit essen kann. Und wenn der Herrgott irgendwann doch dahinterkommt?
Dann sagt er wahrscheinlich nur:
„Mensch… war halt echt lecker.“
🥟 Rezept: Herrgottschtäschle wie von der Klosterküche – nur geiler
🕒 Zubereitungszeit:
- Arbeitszeit: ca. 45 Min.
- Kochzeit: ca. 15 Min.
- Schwäbisches Gefühl danach: unbezahlbar
🛒 Zutaten für ca. 4 hungrige Sünder
Für den Teig:
- 400 g Mehl (Typ 405 oder 550, je nachdem wie’s der Vorrat hergibt)
- 4 Eier (Größe M – bitte kein Gockel mitliefern)
- 1 TL Salz
- 2 EL Öl
- Etwas Wasser, wenn der Teig zu bockig wird
Für die Füllung:
- 300 g Brät (Metzgerqualität – keine Discounter-Katastrophen!)
- 150 g frischer Spinat (alternativ: TK, aber auftauen lassen und gut ausdrücken)
- 1 altbackene Semmel oder 2 Scheiben Toast, in Milch eingeweicht
- 1 Zwiebel, fein gewürfelt
- 1 Bund Petersilie, gehackt
- 1 Ei
- Salz, Pfeffer, Muskat – würzen wie die Oma, also nicht geizig!
- Optional: 100 g Hackfleisch (für die „fette“ Variante)
🍳 Zubereitung
1. Teig kneten
Alle Teigzutaten mischen und kräftig durchkneten, bis ein glatter, elastischer Teig entsteht. Falls er zu trocken ist: ein Schlückle Wasser.
In Folie wickeln und 30 Minuten im Kühlschrank ausruhen lassen – der braucht auch mal Pause.
2. Füllung basteln
Zwiebel in Butter glasig dünsten. Spinat kurz blanchieren (oder auftauen und ausdrücken), dann grob hacken.
Brät, Spinat, Zwiebel, eingeweichte Semmel, Ei, Petersilie und Gewürze gut vermengen. Es darf ruhig deftig schmecken – der Herrgott soll ja nix vermissen.
3. Teig ausrollen & füllen
Teig in Portionen ausrollen – am besten dünn, aber nicht durchscheinend.
Jeweils 8–10 cm breite Streifen schneiden.
Füllung löffelweise in gleichmäßigen Abständen draufsetzen, mit Eiweiß oder Wasser am Rand bepinseln.
Zuklappen, gut andrücken – oder mit einem Maultaschenrad/Teigrädchen elegant abtrennen.
Tipp: Wenn’s aussieht wie ein Raviolo auf Steroiden, bist du auf dem richtigen Weg.
4. Kochen
In heißer Fleisch- oder Gemüsebrühe ca. 10–15 Minuten sieden lassen. NICHT sprudelnd kochen – sonst zerreißt das Täschle wie das Beichtgeheimnis am Stammtisch.
🍽 Serviervorschläge (je nach Stimmung):
- Klassisch: In der Brühe servieren, mit Schnittlauch obendrauf.
- Geschmelzt: In Scheiben schneiden, mit Zwiebeln in Butter anbraten, evtl. mit Ei stocken lassen.
- Pfännle: Mit gebratenem Gemüse und Kräutern mischen – Hipster-Style.
- Next Level: In kleine Würfel schneiden, in Blätterteig einwickeln und als „Maultaschen-Häppchen“ servieren. Perfekt für’s Buffet oder schwäbische Fingerfood-Party.
🙏 Und am Ende:
Immer ein kleines Stoßgebet:
„Vergib uns unsere Täuschung – aber danke für den Geschmack.“
